Sonntag, 16. September 2018

Lou Reed – Berlin




Lou Reed – Berlin


Besetzung:

Lou Reed – vocals, acoustic guitar, choir


Gastmusiker:

Bob Ezrin – piano, mellotron
Steve Hunter – electric guitar
Dick Wagner – electric guitar, backing vocals
Jack Bruce – bass guitar, except “Lady Day“ & “The Kids“
Aynsley Dunbar – drums, except “Lady Day“ & “The Kids“
Steve Winwood – organ, harmonium
Michael Brecker – tenor saxophone
Randy Brecker – trumpet
Tony Levin – bass guitar on “The Kids“
B. J. Wilson – drums on “Lady Day“ & “The Kids“
Allan Macmillan – piano on “Berlin“
Gene Martynec – acoustic guitar, synthesizer and vocal arrangement on “The Bed“, bass guitar on “Lady Day“
Jon Pierson – bass trombone
Blue Weaver – piano on “Men Of Good Fortune“
Steve Hyden – choir
Elizabeth March – choir
Dick Wagner – choir


Label: RCA Records


Erscheinungsdatum: 1973


Stil: Rock


Trackliste:

1. Berlin (3:24)
2. Lady Day (3:39)
3. Men Of Good Fortune (4:38)
4. Caroline Says I (3:57)
5. How Do You Think It Feels (3:42)
6. Oh, Jim (5:14)
7. Caroline Says II (4:13)
8. The Kids (7:55)
9. The Bed (5:51)
10. Sad Song (6:56)

Gesamtspieldauer: 49:34




„Berlin“ nannte der US-amerikanische Musiker Lou Reed sein drittes Solo-Album. „Berlin“ wurde im Juli des Jahres 1973 auf dem Plattenlabel RCA Records veröffentlicht. Die Platte kletterte im Vereinigten Königreich bis auf Platz 7 der Album Charts, erreichte in den USA jedoch lediglich Platz 98 und verkaufte sich allgemein relativ schlecht. Dies mag auch daran gelegen haben, dass die allgemeinen Kritiken im Jahr 1973 sehr schlecht ausfielen. Das Rolling Stone Magazine betitelte die Platte zum Beispiel mit der Überschrift „Desaster“. Genau jene Zeitschrift nahm dreißig Jahre später „Berlin“ mit in ihr Ranking der 500 besten Alben aller Zeiten auf und setzte das Album auf Platz 344.

Das Album-Konzept entstand, als Produzent Bob Ezrin Lou Reed gegenüber erwähnte, dass die Geschichten, die Reeds Songs erzählten, zwar großartige Anfänge hätten, aber nie wirklich zu Ende erzählt werden würden. Konkret wollte Ezrin wissen, was mit dem Paar aus Berlin passiert sei, welches auf seinem ersten Solo-Album in dem Titel „Berlin“ erwähnt wurde. So wurde aus einer Frage die Platte einer tragischen Rockoper, die die Geschichte des unglücklichen Paares Jim und Caroline erzählt. Dabei werden die Themen Drogenkonsum, Prostitution, Depression, häusliche Gewalt und Selbstmord verarbeitet. „The Kids“ zum Beispiel erzählt, wie Caroline von Behördenseite die Kinder weggenommen werden. Man hört in dem Lied Kinder im Hintergrund, die nach ihrer Mutter rufen, um diese weinen. Die auf Plattenbesprechungen ebenfalls bereits erwähnte Band The Waterboys hat ihren Namen aus einer Zeile in diesem Lied entnommen.

„Berlin“ ist musikalisch ein überaus abwechslungsreiches und spannendes Album geworden. Keine Ahnung ob es Platz 344 der besten Alben aller Zeiten einnehmen sollte, allerdings ist es alles andere als ein Desaster. „Berlin“ ist eine Platte geworden, die packt. Die Lieder klingen melodiös, zum Teil auch irgendwie besonders. Mal etwas entrückt, dann wieder herrlich auf den Punkt kommend. Lou Reed wagt hier seine Rock-Musik sehr viel deutlicher zu variieren, als auf den beiden Vorgänger-Alben. Er spielt mit Stimmungen und Atmosphären und schafft es dabei zum Teil bedrückende, ein anderes Mal fröhliche Stimmungen zu verbreiten. Da klingt es mal sphärisch, dann wieder rockig, schließlich auch mal nach Zirkus-Musik und an anderer Stelle voll und orchestral.

Es fällt schwer auf „Berlin“ einzelne Höhepunkte herauszuheben, denn es gibt einige auf diesem Album. „Lady Day“, „Men Of Good Fortune“, „Caroline Says II“, „The Bed“ und „Sad Song“ heißen diese. Wahrscheinlich hätte ich aber wohl an dieser Stelle auch den überwiegenden Teil der anderen Hälfte der Lieder aufzählen können, denn „Berlin“ weiß wirklich zu begeistern. Das Lied „Caroline Says II“ dürfte am bekanntesten auf diesem Album sein, wurde auch sehr oft von anderen Musikern gecovert. Am Intensivsten ist die Musik allerdings beim Lied „The Bed“. Hier kann man die Verzweiflung, die diesem innewohnt nicht nur hören, nein man spürt sie – obwohl oder gerade, weil die Instrumentierung so rudimentär ausfällt. Deshalb sei an dieser Stelle auch entsprechender Text mit abgedruckt.

This is the place where she lay her head
When she went to bed at night
And this is the place our children were conceived
Candles lit the room at night

And this is the place where she cut her wrists
That odd and fateful night
And I said, oh, oh, oh, oh, oh, oh, what a feeling
And I said, oh, oh, oh, oh, oh, oh, what a feeling

This is the place where we used to live
I paid for it with love and blood
And these are the boxes that she kept on the shelf
Filled with her poetry and stuff

And this is the room where she took the razor
And cut her wrists that strange and fateful night
And I said, oh, oh, oh, oh, oh, oh, what a feeling
And I said, oh, oh, oh, oh, oh, oh, what a feeling

I never would have started if I'd known
That it'd end this way
But funny thing I'm not at all sad
That it stopped this way
Stopped this way

Fazit: „Berlin“ von Lou Reed ist ein sehr beeindruckendes Album geworden. Selten klang die Musik des US-Amerikaners abwechslungsreicher und auch intensiver, sieht man mal von seinen Veröffentlichungen mit Velvet Underground ab. Mal klingt es auf „Berlin“ sanft und verzweifelt, dann wieder orchestral und optimistisch. Viele wunderschöne Melodien gibt es hier zu hören und zu entdecken. Dazu werden Geschichten erzählt, die bewegen. Sehr empfehlenswert. Zwölf Punkte.

Anspieltipps: Lady Day, Men Of Good Fortune, Caroline Says II, The Bed, Sad Song