David Bowie – Blackstar
Besetzung:
David Bowie – vocals, acoustic guitar, string arrangements, fender guitar on "Lazarus"
Gastmusiker:
Donny McCaslin – flute, saxophone, woodwinds
Ben Monder – guitar
Jason Lindner – piano, organ, keyboards
Tim Lefebvre – bass
Mark Guiliana – drums, percussion
Erin Tonkon – backing vocals on "'Tis A Pity She Was A Whore"
Tony Visconti – strings
James Murphy – percussion on "Sue (Or In A Season Of Crime)" and "Girl Loves Me"
Label: RCA
Erscheinungsdatum: 2016
Stil: Art Rock, Avantgarde Jazz
Trackliste:
1. Blackstar (9:57)
2. 'Tis A Pity She Was A Whore (4:52)
3. Lazarus (6:22)
4. Sue (Or In A Season Of Crime) (4:40)
5. Girl Loves Me (4:51)
6. Dollar Days (4:44)
7. I Can't Give Everything Away (5:47)
Gesamtspieldauer: 41:17
Ich bin traurig. Sehr, sehr traurig. David Bowie ist am 10. Januar verstorben. Am 8. Januar hatte er noch Geburtstag gehabt, seinen 69. – und sein jetzt leider letztes, sein sechsundzwanzigstes Studio-Album „Blackstar“, wurde ebenfalls an diesem Tag veröffentlicht. Da wusste noch niemand, der als Fan diese Platte hörte, was zwei Tage später geschehen würde. Doch dann kam diese Nachricht, die mich wirklich sehr getroffen hat. Und nein, ich kannte David Bowie natürlich nicht persönlich, habe nie mit ihm gesprochen, ihn leider auch nie auf einem seiner zahllosen Konzerte gesehen. Trotzdem hat er mein Leben sehr intensiv begleitet. Immer und immer wieder. In ganz vielen Situationen meines Lebens. Ich weiß noch den Augenblick, als ich zum ersten Mal „Ashes To Ashes“ hörte und kann mich genau an den Moment erinnern, als ich „Hunky Dory“ das erste Mal auflegte und mich diese Musik tief beeindruckt zurückließ. Das wiederum soll nicht bedeuten, dass ich als Fan alles uneingeschränkt von diesem englischen Musiker begeisternd aufsog, denn nicht immer traf er mit seinen häufigen Stilwechseln auch meinen Musikgeschmack, meine musikalische Welt. Trotzdem füllte sich mein Plattenschrank mit sehr vielen Bowie Alben, mit allen, auch mit ganz ausgefallenen Scheiben, die ich hier, auf diesen Seiten noch gar nicht erwähnt habe. Wenig anfangen konnte ich mit einigen Werken der 80er und Anfang der 90er Jahre, aber das waren auch nicht viele. Zumeist begeisterte mich dieser Musiker mit den zwei unterschiedlichen Pupillen und ich glaube wirklich, dass ich die Band Culture Club deswegen hasse, weil Boy George irgendwann mal in einem Interview sagte, David Bowie sei ein schlechter Schauspieler…
Als ich diese Scheibe hier, „Blackstar“, zum ersten Mal in Händen hielt und das Booklet aufklappte, war ich zunächst überrascht. Schwarze Schrift auf schwarzem Hintergrund. Hatte das irgendwas zu bedeuten? Als ich „Blackstar“ dann zum ersten Mal hörte, war ich gleich gefangen von der Intensität, die dieses Album ausstrahlt. Eine unfassbar düstere Atmosphäre schlägt einem beim Hören entgegen, nicht melancholisch, nicht sentimental. Tieftraurig ist die Stimmung, die jeder der Titel auf „Blackstar“ ausstrahlt. Ich sah das zehnminütige Video zum Titeltrack. Eiskalt läuft es einem dabei über den Rücken. Zuerst sieht man ihn dort liegen, den Major Tom in seinem Raumanzug, der 1969 auf der Platte „Space Oddity“, die Erde verließ, um auf dem 1980 erschienen Album „Scary Monsters (And Super Creeps)“ doch nur als Junkie entlarvt zu werden. Doch das war nicht die ganze Wahrheit, denn jetzt liegt Major Tom auf seinem Planeten und sieht hinauf zu seinem „Blackstar“, zu diesem schwarzen Stern, der das Ende der Reise zu bedeuten scheint, da jener Major Tom nun nur noch ein mit Schmuck behangener Totenschädel ist, wie ein Blick unter den Raumanzug zeigt. David Bowie singt von Hinrichtungen, von knienden Frauen vom Tod. Kein Wunder also, das hier Parallelen zum Islamischen Staat gezogen wurden. Aber dann ist da auch noch jener David Bowie, der mit verbundenem Kopf dasteht, die Augen als Knöpfe angenäht. Alles riecht irgendwie nach Verfall und Tod. Nein, alles hört sich so an und sieht im Video auch genau so aus – Verfall und Tod eben.
Auch im zweiten veröffentlichten Video, „Lazarus“, sieht man „David Bowie“ mit verbundenem Gesicht und diesen Knopfaugen, im Bett liegend und offensichtlich leidend. „Lazarus“, jener Mann, der von Gott von den Toten wieder zu den Lebenden erweckt wurde. Und so fügt sich im Nachhinein Puzzlestück an Puzzlestück. David Bowie, der bei den Aufnahmen zu „Blackstar“ natürlich wusste, dass er schwer erkrankt war, verarbeitet hier den Tod, auf seine ganz eigene Art und Weise. Das Traurige an der Sache ist nur, dass dieser hier nie als Erlösung in Erscheinung tritt, nie als etwas Neues, nie als etwas Hoffnungsvolles. Der Tod ist in der Musik des David Bowie hier düster, dunkel und sehr, sehr unheimlich.
Die Lieder auf „Blackstar" halten sich dabei in keinster Weise mehr an irgendwelche Konventionen. Songstruktur und –aufbau? Alles neu, alles anders als bisher. David Bowie hatte für die Aufnahme der Scheibe Jazz Musiker um sich geschart, die nicht zuletzt auch mit zu dieser außergewöhnlichen Platte beitragen. Nun Jazz ist das wohl nicht ganz, was man auf diesem Album zu hören bekommt, wenn es auch immer wieder in manchen Passagen leicht nach Improvisationen à la Free Jazz klingt. Dann hört man allerdings doch wieder vertraute Strukturen von Strophe und Refrain. Jedoch gar nicht mal selten werden diese durch ein Saxophon- oder Flöten-Solo des Donny McCaslin untermalt, was dies nun neu entstehende Musikgebilde schließlich doch wieder anders, irgendwie entrückter klingen lässt.
Damit wären wir beim nächsten Punkt angelangt. Wer bei „Blackstar“ ein Album erwartet, welches nur so von Melodiösität überquillt, die oder der wird bitter enttäuscht werden. Mitunter klingt die Musik des Davids Bowie hier sogar atonal, völlig verschroben – dafür jedoch unfassbar intensiv und spannend. Was auf dieser Platte alleine die Rhythmus-Fraktion für schräge Takte hervorbringt, ist wahrlich aller Ehren wert. Der Vollständigkeit halber muss man allerdings sagen, dass das Album gegen Ende hin „normaler“ wird. Es tauchen wieder Liedstrukturen auf, die Stimmung wirkt zwar immer noch einigermaßen dunkel und verzweifelt, jedoch halten wieder mehr Melodien und Harmonien Einzug in die Musik des David Bowie auf „Blackstar“. Vielleicht ist dieser leichte Stilwechsel ja das versöhnliche Zeichen der Hoffnung?
Fazit: „Blackstar“ klingt wieder ganz anders als andere David Bowie Platten. Bei einem Künstler, der sich so oft immer wieder neu erfand, dürfte das angesichts der Situation, in der er steckte, als er die Aufnahmen für diese Scheibe tätigte, nicht weiter verwunderlich sein. „Blackstar“ ist das Abschiedsgeschenk des David Bowie. Ein tieftrauriges und ergreifendes Abschiedsgeschenk an all seine Musikhörer, die nun traurig in dieser Welt zurückbleiben, weil ihnen etwas fehlen wird – auch wenn sie die Musik des David Bowie weiter hören können. Schade Du Held meiner Jugend. Ich bin sehr traurig. Dreizehn Punkte.
Anspieltipps: Alles.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen