Yusuf Al-Manyalawi – The Voice Of The Nahda Era
Es ist eine Geschichte um vier Ecken. Mehr durch Zufall stieß ich auf die zehn Cds umfassende Box “The Voice of the Nahda Era – Yusuf Al-Manyalawi”. Herausgegeben wurde das umfassende Werk von der AMAR Stiftung, der “Foundation for Arab Music, Archiving and Research” im libanesischen Beirut. Auf dem Coverbild ein schnauzbärtiger Mann, der etwas fragend in die Kamera blickt. Der Ägypter Yusuf Al-Manyalawi, der 1847 geboren wurde, in Kairo aufwuchs und 1911 verstarb. Schon als kleiner Junge lernte er Dhikr, ein intensives Gebetsritual in der sufistischen Strömung des Islam. Das war die Grundlage für seinen späteren Erfolg als Sänger. 83 Platten nahm er im Zeitraum von 1903 bis zu seinem Tod auf, noch bis Anfang der 30er Jahre war er ein Superstar und Bestseller in seinem Heimatland. Doch dann verschwand Al-Manyalawi aus dem Blickfeld vieler. Und das, obwohl er zu Lebzeiten als der “Caruso des Ostens” galt.
1905 reisten Heinrich Bumb, Geschäftsführer der Berliner Bumb & Koenig GmbH [Beka], seine Frau Elisabeth und der Aufnahmeingenieur Willy Bielefeld über Konstantinopel nach Kairo. Es waren die ersten Etappen einer Aufnahme-Expedition rund den Globus. Nach ihrer Ankunft in Kairo Anfang November schrieb Heinrich Bumb: “Unsere seit ca. 9 Monaten mit Scheik Jussuf, dem “Caruso des Ostens” geführten Unterhandlungen hatten schließlich zu einem Abschluß geführt, welcher den Sänger verpflichtete, fünfzig Lieder ausschließlich für die “Beka-Records” zu singen.”
Beka veröffentlichte später diese Gesänge von Al-Manyalawi auf einem extra dafür gegründeten Label in Ägypten, ”Sama’ al-mulük”, was “Auswahl der Könige” bedeutet. Es bezieht sich darauf, dass Al-Manyalawi auch am Königshof von Ägypten vorsang. Die Platten waren nur für den arabischen Markt gedacht, einem Markt, der durchaus Wachstum für die deutsche Plattenfirma versprach, vor allem mit einem so bekannten Sänger.
Doch die englische Firma “Grammophon & Typewriter Ltd.” war alles andere als positiv davon angetan, dass ausgerechnet in diesem britischen Schutzgebiet ein deutsches Label Geschäfte machte. Schon 1907 reiste der Aufnahmeingenieur Fred Gaisberg für die Grammophon nach Kairo, um 50 Plattenseiten mit dem berühmten Scheich aufzunehmen. Klanglich besser als die Beka Tonaufnahmen, doch auch wesentlich teurer. Die Grammophon zahlte dem Scheich ein Vermögen für dessen Gesänge.
All diese Musik kann man nun wieder auf “The Voice of the Nahda Era” hören. Es kratzt und knistert, Yusuf Al-Manyalawi singt religiöse und weltliche Lieder und das in verschiedensten Tonlagen. Dieses Gesangsvermögen zeichnete ihn aus und machte ihn zum Superstar seiner Zeit. Begleitet wurde er von den besten Musikern Kairos. Diese Liedersammlung der AMAR Stiftung ist ein Blick zurück auf eine boomende und weltoffene arabische Welt, in der die technischen Möglichkeiten ihrer Zeit genutzt wurden. Ein besonderes Klangzeugnis, das gehört werden sollte.