Jónsi
Gastmusiker (ohne Instrumentenangabe):
Jack Armitage (6)
Julianna Barwick (4)
A. G. Cook (all tracks)
Elisabeth Fraser (3)
Samuli Kosminen (3, 4, 7, 10)
Mary Lattimore (4)
Nico Muhly (2, 10)
Nicolas Petitfrère (2, 3, 4, 5, 6)
Robyn (7)
Erscheinungsjahr: 2020
Stil: Post Rock
Trackliste:
1. Exhale (5:12)
2. Shiver (4:19)
3. Cannibal (4:57)
4. Wildeye (4:35)
5. Sumarið sem aldrei kom (6:43)
6. Kórall (6:21)
7. Salt Licorice (3:47)
8. Hold (3:00)
9. Swill (3:50)
10. Grenade (5:32)
11. Beautiful Boy (4:10)
Gesamtspieldauer: 52:32
Es ist schon über sieben Jahre her, dass Sigur Rós mit dem Album „Kveikur“ ihr letztes Studiowerk veröffentlichten. Danach gab es für Sigur Rós mal einen kurzen Auftritt als Musiker in der vierten Staffel von „Game of Thrones“, ansonsten war es von nun an eher still um die isländische Band geworden. Doch jetzt bringt Sänger und Hauptideengeber bei Sigur Rós, Jón Þór Birgisson, unter seinem Spitznamen Jónsi endlich ein neues Album heraus. „Shiver“ heißt dieses und erscheint auf dem isländischen Plattenlabel Krunk Records.
Man kann die Musik auf „Shiver“ nicht unbedingt mit der von Sigur Rós vergleichen. Diese Verträumtheit und allgegenwärtige Atmosphäre, die der Musik der Isländer schon immer innewohnte, diese trifft man zwar auch auf „Shiver“ an, doch die Platte enthält auch völlig anders klingende Sounds und Stücke.
Es beginnt mit dem hauchzarten „Exhale“. Post Rock, der zunächst an die beiden letzten Alben von Talk Talk erinnert. Beim Lied „Shiver“ erklingt sie dann wieder in vollem Ausmaß, die so außergewöhnliche Stimme des Jónsi Birgisson. Ein Lied, was ins Ohr geht, dessen Refrain fast schon hymnisch klingt und schließlich sphärisch ausklingt. Das folgende „Cannibal“, welches im Laufe des Liedes zu einem Duett mit Elisabeth Fraser wird, ist eine sanfte, eingängige und sehr atmosphärische Pop-Nummer. Schönes Lied.
„Wildeye“ dagegen startet in Form einer Kakophonie, rau, kalt, metallisch. Im weiteren Verlauf des Stücks wechseln sich sanft-sphärische Töne mit Industrial-Sounds ab. Insgesamt klingt das ziemlich experimentell und man schafft es kaum, sich auf das Lied einzustellen, da man sofort wieder von der nächsten musikalischen Phase überrascht wird. Einer der Höhepunkte auf „Shiver“ ist sicherlich das folgende „Sumarið sem aldrei kom“. Das Stück startet wie ein Art Weihnachtslied mit sehr viel warmer Atmosphäre und Jónsi vermittelt mit seiner Stimme zudem einen sakralen Anstrich. Das folgende „Kórall“ spielt zunächst erneut mit melodischen und eher verstörenden Tönen, dabei geht das Lied in seinem weiteren Verlauf immer wieder sehr gut ins Ohr.
Beim Titel „Salt Licorice“ handelt es sich erneut um ein Duett, dieses Mal mit der schwedischen Popsängerin Robyn. Ein Lied für die Clubs, zum Tanzen, versehen mit einem treibenden Beat und einfacher Melodieführung. Mag man irgendwie nicht von dem Isländer hören. Mit „Hold“ wird es aber sogleich wieder sanft und atmosphärisch dicht, bis das Lied an Fahrt gewinnt und gerade die Rhythmusfraktion Eindruck hinterlässt. „Swill“ startet krachend laut, entwickelt sich zu einem sogar richtig eingängigen Pop-Lied weiter.
Bleiben noch die letzten beiden Stücke „Grenade“ und „Beautiful Boy“. „Grenade“ ist eine schöne sanfte Ballade, die lediglich im Refrain mal etwas Geschwindigkeit aufnimmt und sehr lange ausklingt. „Beautiful Boy“ schließlich erklingt mit einem erneut experimentellen, jedoch sanften Beginn, bei dem verschiedene Stimmen die Orchestrierung übernehmen. Das Lied stellt einen sehr stimmungsvollen Abschied aus dem Album dar, der dann doch wieder mehr an Sigur Rós erinnert.
Fazit: Das Album lässt mich etwas unsicher und zwiespältig zurück. Definitiv ist das Musik von Jónsi, die man nicht nach dem ersten Mal des Hörens beurteilen kann. „Shiver“ verlangt geradezu nach mehrmaligem Hören. Das habe ich getan, sehr oft sogar. Die schönen Stellen gibt es auf dem Album, jene, in denen Jónsi mit den Atmosphären spielt, in die man so schön eintauchen kann. Doch insgesamt ist „Shiver“ ein sehr uneinheitliches Album geworden, auf welches man sich eben nicht so ohne Weiteres einstellen kann, denn schnell ist eine einmal eingeschlagene Richtung wieder in eine völlig andere umgeschlagen. Das erzeugt natürlich zum Teil Spannung – niemand wird dieses Album wohl langweilig nennen können. Aber es erzeugt auch ein Gefühl der Unausgeglichenheit, welches mich etwas ratlos zurücklässt. Sicherlich kein schlechtes Album, doch Sigur Rós ist eine ganz andere Kategorie. Neun Punkte.
Anspieltipps: Sumarið sem aldrei kom, Beautiful Boy
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